Florence Knoll. Ein Nachruf.


Ein Jahrhundert Moderne

„Ich bin keine Dekorateurin“ verkündete Florence Knoll einst selbstbewusst in einem Interview mit der „New York Times“ (1964) und unterstrich damit, dass sie nicht nur eine moderne Architektin war, sondern auch eine fortschrittliche Position als Frau, abseits der damals noch gesellschaftlich deutlich spürbaren Geschlechterrollen, einnahm. Als erfolgreiche Unternehmerin hatte sie, ausgerechnet in den konservativen USA der postwar-era, in zweierlei Hinsicht eine revolutionäre Erneuerung vollbracht: Zum einen war Florence Knoll als Designerin und Architektin als überaus einflussreich, was nicht einmal in den liberalen, skandinavischen Ursprungsländern des modern interieur selbstverständlich war – auch dort gaben meistens männliche Gestalter (wortwörtlich) den Ton an – zum anderen lag ihr Fokus auf der Gestaltung von Büroräumen, eine Aufgabe, die nicht weiter von den damals vorherrschenden Frauenklischees hätte entfernt sein können. Frauen, so das zeitgenössische Klischee, würde man(n) eher das Einrichten eines Wohnhauses zutrauen, weniger die Planung von Officeflächen, in denen zu dieser Zeit wohlgemerkt Männer die Entscheider waren. Als das Times-Interview erschien, hatte Florence Knoll jedoch in den US-amerikanischen Metropolen bereits unzählige Büros gestaltet und mit ihren selbstkreierten, funktionellen Möbelprodukten ausgestattet. Ihre Entwürfe beschränkten sich keineswegs auf das Mobiliar – sie plante die weitreichende Konversion vorhandener Bürostrukturen, d.h. den Umbau der kabinenartigen, oft düsteren Vorkriegsbüros in offene, lichtdurchflutete Etagenflächen, deren Großräumigkeit sie durch transparente Strukturen rhythmisch aufgliederte, sowie durch die Verwendung von edlem Holz, hellem Marmor und haptischen Stoffen abmilderte. Ihr eigenes Farb-/Materialprogramm, das sich in Bezugsstoffen, Teppichen, Vorhängen oder Holzpaneelen wiederfand, schuf eine freundliche Arbeitsatmosphäre, bei der ein dezent „häuslicher“ Charme den Büroalltag angenehm gestalten sollte. Der moderne, doch wohnliche Stil ermöglichte – gemeinsam mit den typischen Glaswänden der Zeit – Intimität, ohne die Angestellten abzukapseln.

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Subtile Strukturierung der Flächen durch elementare Farbrhythmik, Glaselemente in den Wänden, reduzierte Dekoration, weiche Stoffe in Kombination mit glatten Flächen. Links im Bild der von Erwin Hauer entworfene ornamentale Raumteiler Design 5, welcher exklusiv von Knoll vertrieben wird. Trotz offener Floorplans bietet die von Florence Knoll und ihrer Planning Unit gestaltete Zentrale des LOOK Magazine (NYC) Ruhe- und Rückzugspunkte.



 
Gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner und Ehemann, dem deutschen Möbelhersteller Hans Knoll, schuf sie ein auf handwerklichen Tugenden basiertes und von vornehmer Zurückhaltung (im Vergleich zu Mitbewerbern) bestimmtes Unternehmen, bei dem das form- und funktionsvollendete Produkt unabdingbarer Baustein einer architektonischen Gesamtkonzeption wurde. Florence Knoll nutzte hierbei ihre exzellenten Kontakte zu den bekannten Gestaltern ihrer Zeit. Ludwig Mies van der Rohe, Eero Saarinen, bei dessen Vater Gottlieb Eeliel Saarinen sie einst studiert hatte, Walter Gropius, Marcel Breuer, Warren Platner, Harry Bertoia, Charles Eames u.v.a. kannte sie persönlich. Viele von ihnen konnte sie überzeugen, ihre Möbelentwürfe exklusiv bei Knoll Associates in Pennsylvania fertigen und „verlegen“ zu lassen. Diese Strategie ging auf: in den 1950er und 60er Jahren galt Knoll in den USA als Inbegriff des modernen Officestyles. Heute ist die Firma international tätig und bekannt, da sie noch immer die Fertigungs- und Vertriebsrechte für Designklassiker, z.B. für Mies van der Rohes Barcelona® Chair, besitzt. In jüngster Zeit sind auch die aus Holz gefertigten Entwürfe von Florence Knoll im Zuge des Midcentury-Modern-Revivals wieder sehr gefragt.

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1954 kreierte Florence Knoll eine Reihe von eleganten Sitzmöbeln, darunter diesen schlicht als Florence Knoll Sofa bezeichneten Dreisitzer. Das Sofa gilt heute als Ikone des Sixties Office, besonders im Rot des hauseigenen Stoffes Cato. Beliebt war es auch mit grün-, petrol und blaufarbigen Bezügen sowie mit hellem Leder.

 

Knoll Büromöbel als Kunstobjekte

Über Jahrzehnte hinweg galt Florence Knolls Schaffen als Maßstab für moderne Innenraumgestaltung – heutzutage wird es oft mit einer nostalgischen, in gewisser Weise skurrilen Bewunderung für einen „Retro-Chic“ namens Midcentury Modern betrachtet. Sie gelten also noch heute – trotz ihres „Alters“ – als vorwärtsgewandt. Die ungebrochene Wertschätzung ist besonders im Film und in Fernsehserien zu beobachten. In unzähligen Hollywoodfilm der 1960er mussten die Interieurs als Kulisse herhalten. Ob bei Alfred Hitchcock oder James Bond – immer wieder wurden Designelemente der Firma stilvoll in Szene gesetzt. Dieser Trend setzte sich noch bis in die 80er Jahre fort, bis die Coolness der Post-Moderne sie endgültig verbannte. Erst nach und nach fanden die Klassiker von Knoll wieder in die Filmsets zurück. Schließlich setzte der US-Fernsehsender AMC mit der Serie Mad Men ab 2007 dem Lebenswerk von Florence Knoll ein Denkmal.

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Eine opulente Hommage an Knoll Associates: Drei Setdesigns der erfolgreichen Serie Mad Men.



 

Florence Knoll Basset verstarb am 25. Januar 2019 im Alter von 101 Jahren in Florida.


 

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Text: © Hans-Christian Wichert
Titelbild © The Mies van der Rohe Archive
Abbildung LOOK Magazine Headquarter © Robert Damora
Abbildung Sofa © Knoll International SpA, Milano
3 Screenshots „Mad Men“ © AMC Network Entertainment LLC