Ein Gedicht. Von Dmitri Strozew.
Goya
hat zwölf jahre lang
das unheil des krieges dargestellt
in seinen radierungen
um der welt zu zeigen
wie im zorn sich das volk erhebt
wie brutal die napoleonischen soldaten wüten
wie das belagerten Madrid hungert
wie furchtbar die niederlage ist
damals gab es die fotografie noch nicht
Picasso
hat zwölf stunden am tag gearbeitet
und nicht einmal einen monat gebraucht
um im stil des monumentalen kubismus
ein riesiges bild
für die weltausstellung in Paris zu malen
über die tragödie des krieges in Spanien
um in die welt hinauszuschreien
seht wie die legionäre der faschistischen luftwaffe
Guernica bestialisch bombardieren
wie tausende bomben abgeworfen werden
wie tausende menschen unter den trümmern sterben
wie drei tage lang das feuer wütet
damals gab es das internet noch nicht
heute übertreffen
anonyme zeugnisse des krieges
dokumentarische fotografien und videos
die künstlerischen äußerungen
tauchen augenblicklich
in facebook und auf youtube auf
in den smartphones sieht man
die ukrainischen städte und vororte brennen
leichen wochenlang auf den straßen liegen
zerstörte panzerfahrzeuge sich zu pyramiden türmen
russische mobile krematorien herbeieilen
was bleibt dem dichter
als der welt
lautlos namen zuzuflüstern
…
Butscha
…
Irpin
…
Borodjanka
…
Kramatorsk
…
Ukraine
…
09.04.2022
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Text: © 2022 – D. Strozew, Minsk/Stockholm
Titelbild: © AdobeStock | Datei: #490156204 | Urheber: pronoia
Dmitri Strozew ist ein weißrussischer Schriftsteller, Dichter und Oppositioneller, der vorallem mit seiner Lyrik die Ungerechtigkeiten des Lukaschenko-Regimes kritisiert. Als er im Oktober 2020 an öffentlichen Protesten in Minsk teilnahm, wurde er verhaftet. Dank des Einsatzes bekannter Intellektueller blieb ihm eine längere Haft erspart. Im März 2022 verließ er Belarus, um in Stockholm frei arbeiten zu können. Seit der Invasion russischer Truppen schreibt er auch über und für die Ukraine.